Toleranz, Freiheit und Menschenwürde im Islam - Teil 2
Das Urteil über unsere Mitmenschen sollten wir also besser Gott überlassen. Statt dessen sollten wir uns um ein gerechtes und tolerantes Verhalten ihnen gegenüber bemühen. Es geht bei der Religion um unsere Taten, die wir zu verantworten haben. Daher heißt es auch in einer anderen Qur'anstelle:
".... und mir ist befohlen worden, Gerechtigkeit unter euch zu üben. Gott ist unser Herr und euer Herr. Wir haben unsere Werke und ihr habt eure Werke (zu verantworten)! Es gibt keinen Streitgrund zwischen uns und euch. Gott wird uns zusammenbringen, und zu Ihm führt der Lebensweg."[42:15]
Damit kommen wir zu der Frage nach Toleranz im engeren Sinne, d.h. der religiösen Toleranz. Sie gehört zu den religiösen Geboten im ISLAM, denn alle Offenbarungsreligionen gelten nach der islamischen Lehre prinzipiell als gültige Wege zu Gott. Daher müssen die Muslime auch sämtliche Propheten Gottes, die seit dem Beginn der Menschheitsgeschichte von Zeit zu Zeit aufgetreten sind, wie z.B. auch MOSES und JESUS in gleicher Weise respektieren.
Konsequenterweise hat daher der Prophet MOHAMMAD von Anfang an die Sache der Religionstoleranz und Glaubensfreiheit, d.h. einen Religions- und Kulturpluralismus vertreten, wie in der Geschichte nachgelesen werden kann. Ihm folgten die Kalifen, vor allem der Kalif Omar, die großzügige Religionstoleranz des Sultans Salahuddin ist ihnen aus der Geschichte wohl bekannt.
In den obigen Erläuterungen habe ich versucht klar zu machen, in wie fern aktive Toleranz als universale, sowie als religiöse Toleranz zu den Zielen der richtig verstandenen islamischen Erziehung gehört.
Es sind hierbei auch die Grenzen der Toleranz klar geworden. Sie liegen ja überall da, wo sie sich in ihr Gegenteil verkehrt, wo sie nicht mehr ein gerechtes Verhalten bedeutet, wo also die allgemeinen Menschenrechte, seien es die eigenen oder die der Mitmenschen verletzt werden. Denn nur durch den persönlichen Einsatz können diese Rechte verteidigt werden, da ihre Verteidigung durch die Gesetze des Staates, die natürlich ebenfalls nötig sind, nicht genügt. Daher heißt es in einem Ausspruch des Propheten MOHAMMAD:
"Wer von euch etwas Übles sieht, soll dies mit seiner Hand ändern, wer das nicht kann, dann mit seiner Zunge, wenn er das nicht kann, dann mit seinem Herzen, dies letzte ist allerdings die schwächste Form des Glaubens."
Es gibt keine Toleranz der Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit gegenüber.
Zum Schluss der Erörterungen möchte ich Ihnen eine typische Begebenheit aus der alten islamischen Geschichte berichten, weil hier ein gutes Beispiel für die islamische aktive Toleranz gegeben ist. Es handelt sich hierbei um ein alltägliches Ereignis aus dem Leben des zweiten Kalifen Omar.
Er sah eines Tages einen alten Mann auf der Straße betteln und erfuhr, dass er ein Jude sei. Der Kalif bedauerte das Schicksal des alten Mannes und sagte, dass so etwas in seinem Staate nicht passieren dürfe.
Er ordnete deswegen an, dass diesem alten Juden vom Staat eine Pension gegeben werden müsse, welche ihm auf seine alten Tage ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht.
Vom gleichen Kalifen Omar ist der bekannte Ausspruch überliefert: "Warum wird der Mensch immer wieder versklavt, obwohl er doch von seiner Mutter frei geboren wurde."
Hier liegt islamisch betrachtet, die immer wieder zu unternehmende menschliche Aufgabe, für die Freiheit des Menschen zu kämpfen - und zwar mit gemeinschaftlicher mitmenschlicher Solidarität, zu welcher unablösbar die universale und religiöse Toleranz gehört.