Wenn Weihnachten auf Opferfest trifft und Demokratie zum Schein wird
Nicht selten wird mir, während einer Diskussion mit einem Islamhasser, vorgeworfen, er würde den Islam und die Muslime hassen, weil diese der christlichen Minderheit in der islamischen Welt keine Rechte geben würden. Oft hatte ich keine handfesten Beweise um diesem Argument zu widersprechen.
Ein zweiwöchiger Aufenthalt in Jordaniens Hauptstadt Amman genügte mir, um diese Beweise zu sammeln. Obwohl die christliche Minderheit nur knapp 6 Prozent der Einwohnerzahl ausmacht, so wird dieser sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt.
Es ist der erste Tag des islamischen Opferfestes. Im Kreise der Familie genieße ich mein erstes Fest in der islamischen Welt. Versüßt wird mir dieser Moment mit leckerem Zimtgebäck gefüllt mit einer Dattelmischung.
Zum unvergesslichen Moment wird dieses Erlebnis, als die Lobpreisung Allahs durch die Minarette der Moschee von nebenan über den Himmel Ammans ertönt.
Ich möchte dieses Gefühl von absoluter Glückseligkeit festhalten als ich vom Läuten der Kirchenglocken überrascht werde. Mich überkommt ein Gefühl von Verwirrung. Zimtgebäck und familiäre Treffen. Lichterketten und Geschenke. Kirchenglocken. Ich fühle mich plötzlich wie zu Hause. In Deutschland. Ich lebe Weihnachtsgefühle während meines ersten Opferfestes in einem islamischen Land. Es dauert einige Minuten bis ich meine Gedanken sortiere.
Ich frage, ob es wirklich die Kirchenglocken sind. Man bejaht dies. Nach dem Anlass fragend, erfahre ich, dass das Läuten, neben den christlichen Feiertagen, täglich um 10Uhr um 12Uhr und um 18Uhr zu hören ist. Positiv überrascht erfreue ich mich dieser neuen Information, zugleich traurig bestimmt über die Lage der Muslime in den christlich geprägten Ländern.
Während also europäische Länder mit allen Kräften versuchen den Bau von Minaretten zu verbieten, gehört die Kirchenglocke zum Alltag des islamischen Jordaniens.
In diesen zwei Wochen habe ich sicherlich viel von Amman gesehen. Was aber hängen geblieben ist, ist die Tatsache, dass neben jeder großen Moschee ein christliches Gotteshaus steht. Aktuell werden viele große Kirchen gebaut und alte saniert.
Es ist kein Geheimnis, dass einige Orte Ammans leider ziemlich runtergekommen sind. Umso größer der Wunsch die Upper Class Gegenden sehen zu wollen. Festgestellt habe ich, dass diese größtenteils von der christlichen Minderheit bewohnt sind.
Ich denke also an das Verbot vom Bau von Moscheen, an unsere islamischen Zentren in den Hinterhöfen und an die ghettoähnlichen Zustände im Berliner Wedding oder Neukölln, die zu einer großen Anzahl von Muslimen bewohnt sind.
Es ist der dritte Tag des Opferfestes als wir Besuch bekommen. Es ist der christliche Freund des Familienvaters. Kaffee trinkend und Leckereien genießend erinnern sich beide an Momente der Zweisamkeit aus der Vergangenheit.
Ich bin absolut überrascht. Positiv. Denn das konservative Jordanien mit 94% Muslimen lebt mit seiner christlichen Minderheit und übersieht die religiösen Unterschiede. Ihnen werden die gleichen Rechte geboten, wenn nicht sogar mehr als der muslimischen Bevölkerung.
Ich bin absolut überrascht. Negativ. Denn das demokratische Deutschland mit ca. 5% muslimischer Minderheit hat nichts Besseres zu debattieren als die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht.
Ich frage mich wann es normal sein wird, dass Familie Müller ein Fastenbrechen mit seinen muslimischen Nachbarn genießen wird. Wann wird es für eine Familie mit muslimischer Zugehörigkeit normal sein Herrn Müller zum Ramadan einzuladen oder ihm zu seinem Festtag eine Grußkarte zu schenken ?
Von:
Nesrin Chloé