22. Die vereinbarte Umra
Der Aufbruch der Muslime nach Mekka
Das Jahr nach Al Hudaibija verging. Muhammad (s.a.s.) und seinen Gefährten stand es gemäß ihres Abkommens mit den Kuraisch nun frei, Mekka zu betreten und die Kaba zu besuchen. Deswegen verkündete der Gesandte unter den Leuten, sie sollten sich auf den Aufbruch zur vereinbarten Umra vorbereiten, nachdem sie zuvor daran gehindert worden waren.
Man kann sich leicht vorstellen, wie die Muslime diesen Ruf aufnahmen und ihm Folge leisteten: es befanden sich unter ihnen die Muhadschirun, die Mekka sieben Jahre zuvor verlassen hatten, und die Ansar, die Handel mit Mekka getrieben und nun das Verlangen hatten, das Heiligtum zu besuchen. Deshalb stieg die Zahl der Pilger auf 2.000, nachdem sie im Jahr zuvor noch 1.400 betragen hatte. Gemäß dem Abkommen von Al Hudaibija trug keiner dieser Männer eine Waffe außer einem Schwert in der Scheide. Muhammad (s.a.s.) fürchtete jedoch ständig den Verrat. Deswegen rüstete er einhundert Reiter aus, an deren Spitze er Muhammad (s.a.s.) Ibn Maslama stellte, und schickte sie als seine Vorhut unter der Bedingung, den heiligen Bezirk Mekkas nicht zu betreten und sich einem nahe davon gelegenen Tal zuzuwenden, sobald sie Marr Az Zahran erreichten. Die Muslime trieben vor sich 60 Kamelstuten als Opfertiere her, denen Muhammad (s.a.s.) auf seiner Kamelstute Al Kaswa vorausritt.
Sie verließen Medina getrieben von der Sehnsucht nach dem Betreten der Mutter der Städte und der Umschreitung des Hauses Allahs (t.) . Jeder der Muhadschirun trachtete danach, seinen Geburtsort, das Haus, in dem er aufgewachsen war, und die Freunde, die er verlassen hatte, zu sehen und die Luft dieses verehrungsvollen Vaterlandes einzuatmen. Respekt- und liebevoll den Staub dieses gesegneten Ortes zu berühren, der den Gesandten hervorgebracht hatte und in dem die erste Offenbarung herabgesandt wurde. Man kann sich vorstellen, wie diese 2.000 Muslime umfassende Truppe vorwärts eilte und wie ihre Herzen höher schlugen. Wenn sie absattelten, fing jeder von ihnen an, seinen Gefährten von seiner letzten Zeit in Mekka und seiner Kindheit dort zu erzählen. Oder er sprach von seinen dortigen Freunden oder dem Geld, das er um Allahs (t.) willen opferte, als er von dort auswanderte.
Man kann sich die Art dieser einzigartigen Demonstration vorstellen, die vom Glauben angetrieben wurde und deren Teilnehmer von einem Haus angezogen wurden, das Allah (t.) zu einem Treffpunkt und einem Ort des Friedens für die Menschen gemacht hatte. Man sieht also vor dem geistigen Auge, welche Freude jene mitriss, die von dieser heiligen Pflicht abgehalten worden waren und nun dorthin zogen, um Mekka sicher zu betreten und ihre Köpfe zu scheren bzw. das Haar zu kürzen, ohne sich fürchten zu müssen.
Die Kuraisch verlassen Mekka
Die Kuraisch erfuhren vom Kommen Muhammads (s.a.s.) und seiner Gefährten und verließen Mekka gemäß dem Friedensabkommen von Al Hudaibija. Sie erklommen die umliegenden Hügel, wo sie die Zelte aufschlugen und einige von ihnen unter dem Schatten der Bäume Zuflucht suchten. Von den Bergen Abu Kubais und Hira und von jeder nach Mekka weisenden Anhöhe aus schauten diese Mekkaner herab. Sie sahen mit erwartungsvollen Augen auf den Vertriebenen und seine Gefährten, wie sie die Stadt des Heiligtums betraten, ohne zurückgehalten zu werden und ohne dass jemand sie hinderte. Die Muslime kamen vom Norden Mekkas herab. Abdullah Ibn Rawaha hielt die Zügel von Al Kaswa. Die Bedeutenden unter den Gefährten umgaben den Propheten (s.a.s.), und die Reihe der anderen zog zu Fuß oder auf dem Kamel sitzend hinterher.
Die Muslime vor dem Heiligtum
Als das Heiligtum vor ihnen auftauchte, riefen die Muslime sich mit Herz und Seele Allah , dem Glorreichen, zuwendend wie mit einer Stimme: "Hier bin ich zu DEINEN Diensten". Erfüllt von Hoffnung und Respekt umgaben sie diesen Gesandten, den Allah (t.) mit der Rechtleitung und der Religion der Wahrheit gesandt hatte, um sie über alle Religionen siegen zu lassen. Es war in der Tat eine einzigartige Szenerie in der Geschichte, vor der sie allseits erbebte. Sie gewann sogar die Herzen der schlimmsten im Heidentum und Eigensinn verhärteten Polytheisten für den Islam. Auf diese einzigartige Szene waren also die Augen der Mekkaner gerichtet. Und diese den Herzen entspringende Stimme, die schallte: "Hier bin ich zu DEINEN Diensten", gellte in ihre Ohren und ließ ihre Herzen erzittern.
Die Umschreitung der Kaba
Als der Gesandte die Moschee erreichte, warf er sein Obergewand dergestalt um, dass es unterhalb des rechten Arms verlief und über die linke Schulter geschlagen wurde. Er zog seinen rechten Arm heraus und sagte: "0 Allah habe Erbarmen mit einem Mann, der ihnen heute seine geistige Kraft zeigt." Dann berührte er die Ecke beim Schwarzen Stein und ging eiligen Schrittes. Seine Gefährten taten das gleiche. Als er die Jemenitische Ecke berührt hatte, ging er weiter, bis er den Schwarzen Stein berührte. Er vollzog erneut eiligen Schrittes drei Umschreitungen und ging die übrigen ruhigen Schrittes. Die 2.000 Muslime gingen schnell, wenn immer auch er schnell ging, und gingen langsam, wenn immer auch er langsam ging. Die Kuraisch schauten vom Berg Abu Kubais zu und wurden allerorten von Erstaunen gepackt. Sie bezeugten - nachdem sie über Muhammad (s.a.s.) und seine Gefährten erzählt hatten, dass diese sich in Not, Bedrängnis und Mühsal befänden -, dass sie etwas sahen, was auch in ihren Herzen jede Einbildung über die Schwäche Muhammads (s.a.s.) und seiner Gefährten auslöschte.
Im Eifer dieses Augenblicks wollte Abdullah Ibn Rawaha gegen die Kuraisch einen Kriegsruf ausstoßen. Doch Umar hielt ihn zurück, und der Gesandte sagte zu ihm etwa: "Langsam, o Ihn Rawaha! Sprich: "Außer Allah allein gibt es keinen Gott. Er half SEINEM Diener und stärkte SEINE Soldaten; und nur ER besiegte die Verbündeten"." Daraufhin rief Ibn Rawaha dies ganz laut. Die Muslime wiederholten es, und das Tal hallte von allen Seiten mit ihren Stimmen wider. Sie flößten Furcht in die Herzen derer ein, die auf die Berge geklettert waren.
Drei Tage in Mekka
Als die Muslime die Umschreitung der Kaba beendet hatten, ging Muhammad (s.a.s.) ihnen voraus nach As Safa und Al Marwa*. Er ritt siebenmal zwischen ihnen einher, wie die Araber es zuvor zu tun pflegten. Dann schlachtete er die Opfertiere bei Al Marwa, scherte seinen Kopf und vervollständigte damit die Pflichten der Umra. Am nächsten Morgen betrat Muhammad (s.a.s.) die Kaba und blieb in ihr bis zum Mittagsgebet. Obwohl die Götzen noch in ihr waren, bestieg Bilal das Dach der Kaba und rief die Leute zum Mittagsgebet bei ihr. Der Prophet verrichtete an jenem Tag mit den 2.000 Leuten das Gebet des Islam bei dem Haus, bei dem zu beten er sieben Jahre abgehalten worden war.
Die Muslime brachten die drei im Abkommen von Al Hudaibija festgelegten Tage in Mekka zu, nachdem die Mutter der Städte von ihren Einwohnern verlassen worden war. Folglich blieben die Muslime währenddessen dort, ohne dass ihnen etwas angetan wurde. Die Muhadschirun unter ihnen besuchten ihre Häuser in Begleitung ihrer Gefährten von den Ansar. Es war, als seien sie alle die Besitzer dieser sicheren Stadt. Ein jeder von ihnen verhielt sich dem Islam gemäß, verrichtete täglich seine Gebete zu Allah (t.) und tötete dadurch die Verblendung seiner Seele ab. Der Starke unter ihnen half dem Schwachen, und der Reiche beschenkte den Armen. Der Prophet bewegte sich unter ihnen wie ein liebender und geliebter Vater, der mal jemanden anlächelte, mal mit jemandem Spaß machte, doch auch dann nur die Wahrheit sagte. Die Kuraisch und die übrigen Mekkaner erblickten von ihren Aufenthaltsplätzen auf den Gipfeln diese einzigartige Szenerie in der Geschichte. Sie sahen Männer von diesem Charakter, die keinen Alkohol tranken und keine Widersetzlichkeiten begingen. Die weder Essen oder Trinken verführte noch etwas im Leben in Versuchung brachte. Die sich Allah (t.) in dem, was ER ihnen befohlen hatte, nicht widersetzten, sondern taten, was ihnen befohlen worden war.
Welche Effekte hinterlässt eine solche Szenerie, die den Mensch über die höchste Stufe des Menschen erhebt?! Dies ist leicht zu ermessen, wenn man erfährt, dass Muhammad (s.a.s.) einige Monate später zurückkehrte und Mekka an der Spitze von zehntausend Muslimen einnahm.
*
Zwei Hügel außerhalb von Mekka, zwischen denen Hagar einige Male hin und her rannte, um für ihren durstigen Sohn Ismail Wasser zu suchen.
Muhammads (s.a.s.) Heirat mit Maimuna
Umm Al Fadi, die Frau von Al Abbas Ibn Abdul Muttalib (dem Onkel des Propheten) war von ihrer Schwester Maimuna beauftragt worden, sie zu verheiraten. Maimuna war 26 Jahre alt und die Tante von Chalid Ibn Al Walid. Umm Al Fadi überließ es ihrem Ehemann Al Abbas an ihrer Stelle, ihre Schwester zu verheiraten. Nach dem, was Maimuna von den Muslimen bei der vereinbarten Umra gesehen hatte, war sie dem Islam sehr zugetan. Al Abbas sprach deshalb mit seinem Neffen über sie und schlug ihm vor, sie zu heiraten. Muhammad (s.a.s.) willigte ein und gab ihr vierhundert Dirham als Brautgabe.
Die im Abkommen von Al Hudaibija festgelegten drei Tage waren unterdessen verstrichen. Doch Muhammad (s.a.s.) wollte seine Heirat mit Maimuna dazu nutzen, zu einem besseren Verständnis zwischen ihm und den Kuraisch beizutragen. Als Suhail Ibn Amr und Huwaitib Ibn Abdul Uzza als Abgesandte der Kuraisch zu Muhammad (s.a.s.) kamen, sagten sie zu ihm: "Deine Zeit ist abgelaufen, so zieh fort von uns." Er entgegnete ihnen: "Was hättet ihr dagegen, wenn ihr mich bleiben ließet? Ich veranstalte ein Hochzeitsfest in eurer Mitte. Wir bereiten für euch ein Mahl, und ihr seid zugegen." Muhammad (s.a.s.) sagte dies wohlwissend, welche Wirkung die vereinbarte Umra bei den Mekkanern hinterlassen hatte. Wie sie sie fasziniert und ihre feindliche Gesinnung besänftigt hatte. Er wusste, dass Mekka ihm freiwillig seine Tore öffnen würde, wenn sie seine Einladung zum Essen annehmen und sie sich miteinander unterhalten würden. Das war es, was Suhail und Huwaitib befürchteten. Deswegen lautete ihre Antwort: "Wir brauchen dein Essen nicht, so zieh fort von uns."
Aufbruch der Muslime nach Medina
Muhammad (s.a.s.) zögerte nicht, ihrer Entscheidung Folge zu leisten - dem Abkommen mit ihren Leuten gemäß. Er rief die Muslime zum Aufbruch und zog mit ihnen hinter sich los.
Er ließ Abu Rafa, seinen Schützling, bei Maimuna zurück, bis dieser sie in Sarif* zu ihm brachte, wo er die Ehe mit ihr vollzog. Die Mutter der Gläubigen Maimuna ist die letzte Frau des Propheten. Sie lebte nach ihm noch fünfzig Jahre und verlangte dann, dort beerdigt zu werden, wo der Gesandte Allahs die Ehe mit ihr vollzogen hatte.
Muhammad (s.a.s.) kümmerte sich auch um die beiden Schwestern von Maimuna: Salma, die Witwe seines Onkels Hamza, und Amara Al Bikr, die nicht verheiratet war.
Die Muslime erreichten Medina und blieben dort. Muhammad (s.a.s.) zweifelte nicht an der Bedeutung dessen, was die vereinbarte Umra an Effekten bei den Kuraisch und den Mekkanern insgesamt zurückgelassen hatte und was sich aus ihr an bedeutenden Nachwirkungen entwickeln würde.
* Ein Ort etwa neun bis zwölf Meilen von Mekka entfernt
Chalid Ibn Al Walids Annahme des Islam
Die Folgezeit bestätigte seine Einschätzung. Denn kaum war er nach Medina aufgebrochen, da stand Chalid Ibn Al Walid, der fähigste Reiter der Kuraisch und Held von Uhud, vor einigen der Kuraisch und sagte: "Es ist jedem, der Verstand besitzt, klargeworden, dass Muhammad (s.a.s.) weder ein Zauberer noch ein Dichter ist und seine Worte die Worte des Herrn des Universums sind. Es ist deshalb die Pflicht eines jeden Verständigen, ihm zu folgen." Ikrima Ibn Abu Dschahl erschrak ob dessen, was er hörte, und entgegnete: "Du bist wirr im Kopf, o Chalid." Da spielte sich zwischen ihnen folgender Dialog ab:
Chalid: "Ich bin nicht wirr im Kopf, sondern Muslim geworden."
Ikrima: "Bei Allah , wenn jemand der Kuraisch am wenigsten das Recht hat, so etwas zu sagen, dann du."
Chalid: "Und warum?"
Ikrima: "Weil Muhammad die Ehre deines Vaters befleckte, als dieser verletzt wurde. Und dein Onkel und dein Vetter sind bei Badr gefallen. Bei Allah , o Chalid, ich bin nicht Muslim geworden noch habe ich desgleichen dahergeredet wie du. Siehst du denn nicht, dass die Kuraisch ihn bekämpfen wollen?!"
Chalid: "Das liegt an der vorislamischen Unwissenheit und ihrem Fanatismus. Doch bei Allah , ich wurde Muslim, als mir die Wahrheit klar wurde."
Chalid schickte Pferde zum Propheten und ließ ihn wissen, dass er sich zum Islam bekenne und ihn anerkenne. Abu Sufjan erfuhr von Chalids Annahme des Islam, schickte nach ihm und fragte ihn: "Stimmt es, was ich von dir gehört habe?" Und als Chalid ihm antwortete, dass es zutreffe, wurde er zornig und sagte: "Bei Al Llat und Al Uzza, hätte ich gewusst, dass das, was du sagst, wahr ist, hätte ich mit dir noch vor Muhammad begonnen." Chalid entgegnete: "Bei Allah , es ist wahr, dem zum Trotz, dem das nicht passt." Da wollte Abu Sufjan in seinem Zorn auf ihn losgehen. Doch Ikrima, der zugegen war, hielt ihn von ihm zurück und sagte: "Langsam, o Abu Sufjan. Bei Allah , auch ich befürchtete, was du befürchtetest: Dass ich sagte, was Chalid sagte, und dass ich mich zu seiner Religion bekennen würde. Ihr wollt Chalid ob seiner Ansicht töten, obwohl alle Kuraisch ihn als Führer anerkannt haben! Bei Allah , ich fürchte, dass noch vor Ablauf des Jahres ihm alle Mekkaner folgen werden."
Chalid zog von Mekka nach Medina und reihte sich in die Reihen der Muslime ein
Die Annahme des Islam von Amr Ibn Al As und Uthman Ibn Talha
Nach Chalid wurden Amr Ibn Al As und Uthman Ibn Talha, der Wächter der Kaba, Muslime. Aufgrund ihrer Annahme des Islam wurden viele der Mekkaner Muslime und folgten der Religion der Wahrheit. Dadurch nahm die Macht des Islam zu. Es konnte nicht mehr daran gezweifelt werden, dass Mekka Muhammad (s.a.s.) seine Tore öffnen würde.