22- Die Grabenschlacht

 

Eines Tages begab sich der Prophet zu dem jüdischen Stamm der Bani An-Nadir, da diese ihn gebeten hatten, einen Streit zwischen ihnen zu schlichten. Als er bei ihnen war, zogen sie sich zur Beratung zurück und sprachen zueinander: „In eine so günstige Lage bekommen wir diesen Mann nie wieder. Wer also steigt auf das Haus, wirft einen Stein auf ihn und tötet ihn?“
Einer von ihnen, ‘Amr Bin Dschihas, erklärte sich dazu bereit und stieg auf das Dach, um einen Stein auf den Propheten zu werfen. Dieser saß mit einigen seiner Gefährten, die ihn begleitet hatten, zusammen, darunter Abu Bakr, Umar und Ali. Der Engel Gabriel offenbarte ihm das üble Vorhaben. Er stand auf und ging, bevor ‘Amr den Stein herunterwerfen konnte, und ohne seinen Gefährten ein Wort zu sagen.

Diese warteten bei den Bani An-Nadir auf seine Rückkehr. Als es ihnen zu lange dauerte, begannen sie, nach ihm zu suchen. Ein Mann, der gerade aus Medina kam, erzählte ihnen schließlich, er habe den Propheten in die Stadt kommen sehen. Sie folgten ihm dorthin, und als sie ihn erreichten, berichtete er ihnen von dem Verrat, den die Bani An-Nadir gegen ihn geplant hatten.

Muhammad forderte die Bani An-Nadir auf, Medina mit ihrem Vermögen zu verlassen. Diese wollten nach ihrem gescheiterten Plan der Aufforderung Folge leisten, doch Ibn Salul versprach ihnen Unterstützung, falls sie sich dem Propheten widersetzten. So verweigerten sie den Abzug. Infolgedessen belagerten die Muslime die Bani An-Nadir. Als die Unterstützung Ibn Saluls jedoch ausblieb, gaben sie auf und ergaben sich dem Urteil des Propheten. Wie bei den Bani Qaynuqa baten auch ihre ehemaligen Verbündeten den Propheten, ihnen das Urteil zu überlassen. Obwohl der Anschlag seiner Person gegolten hatte, stimmte er zu. Die Bani An-Nadir durften Medina verlassen und ihr Vermögen mitnehmen. Sie gingen nach Chaibar [282], wo sie sich niederließen. [283] Doch sie und ihre Verbündeten wollten sich immer noch nicht geschlagen geben.

Die Oberhäupter der Bani An-Nadir begannen, von Chaibar aus ein Bündnis gegen den Propheten zu schmieden, um Verbündete für einen Angriff auf Medina zu gewinnen. Eine Delegation von den Bani An-Nadir und den Bani Wa’il [284], darunter Hujai Bin Achtab, das Oberhaupt der Bani An-Nadir, zog zu den Quraisch nach Mekka. Sie hetzten sie zum Krieg gegen den Propheten auf und sprachen: „Wir werden euch im Kampf gegen ihn unterstützen, bis wir ihn erledigt haben!“
„O ihr Männer der Juden!“, fragte Abu Sufyan, „Ihr seid das Volk mit dem ersten Buch und habt Wissen über unseren Streit mit Muhammad! Ist unsere Religion besser oder seine?“

„Eure Religion ist besser als seine Religion, und ihr seid im Recht!“, antworteten sie, obwohl sie genau wussten, dass die Quraisch Götzendiener waren, die gegen die Prinzipien der Juden, Christen und Muslime handelten. [285]
Das freute diese und ermutigte sie, sich auf einen weiteren Krieg vorzubereiten.

Nun begab sich die Delegation aus Chaibar zu den Stämmen des Nadschd [286], den Bani Ghatafan [287], und zu vielen anderen Götzendienern und warben sie zum Kampf gegen den Propheten. Sie versprachen ihnen Unterstützung und erzählten, dass die Quraisch ihrem Aufruf bereits nachgekommen seien. Andere Stämme, die sie nicht anstacheln konnten, gegen die Muslime zu kämpfen, versuchten sie mit Bestechung und dem Versprechen von reicher Beute zum Kampf zu bewegen.

Innerhalb kürzester Zeit bewegte sich eine gewaltige Streitmacht, wie sie Arabien bis dahin noch nicht gesehen hatte, in Richtung Medina.[288]

Als der Prophet dies alles durch einen Brief von seinem Onkel Abbas erfuhr, blieb ihm nur noch eine Woche Zeit. Er versammelte seine Gefährten, um sich mit ihnen zu beraten. Vielfältige Meinungen darüber, wie man sich am besten verteidigen könnte, kamen zur Sprache. Salman der Perser hatte einen besonderen Plan. Er erzählte, was er bei seinem Volk gesehen hatte, wenn dessen Städte angegriffen wurden: Sie gruben tiefe Gräben rund um ihre Städte, die es dem Feind unmöglich machten, diese einzunehmen. Alle waren von diesem Plan begeistert. Zum Glück mussten die Muslime nicht um die ganze Stadt herum graben, denn es gab bereits hohe Mauern und Felsen, die nicht passierbar waren und nur noch miteinander verbunden werden mussten, um die Lücken zu schließen. Jede Familie übernahm ein Stück des Grabens.

Die Tage vergingen, aber die Arbeit schien nicht fertig zu werden. Angst und Hunger nahmen zu; der Prophet hungerte und arbeitete jeden Tag mit. [289] Sie gruben unermüdlich.

Ein großer Fels wurde ein Hindernis, worüber sie beim Propheten klagten. Er ließ etwas Wasser bringen, spuckte hinein, sprach ein Bittgebet und besprengte den Felsen mit dem Wasser. Die Zeugen dieses Wunders sprachen später: „Bei Dem, Der ihn als Propheten sandte, der Fels brach zusammen.“

Auch Salman hatte beim Graben Schwierigkeiten. Der Prophet, der in seiner Nähe war, sah, wie schwer er es mit einem Felsen hatte. Nun schlug er selbst dreimal mit der Hacke auf diesen Felsen, wobei jedes Mal ein Lichtstrahl aufblitzte.
„O Gesandter Allahs, was war das?“, fragte Salman erstaunt.

„Hast du es wirklich gesehen, o Salman?“, fragte der Prophet. Salman bejahte es.
„Das erste Aufblitzen bedeutet, dass Allah mir den Jemen eröffnet, durch das zweite Ash-Sham und den Westen und durch das dritte eröffnete Er mir den Osten.“ [290]

Die Quraisch rückten mit zehntausend Kriegern heran, in der Hoffnung, die ganze Stadt schnell zu vernichten.
Der Graben war schon vollendet und der Prophet richtete mit dreitausend Muslimen ein Lager vor der Stadt ein, so dass der Graben zwischen ihnen und den Quraisch lag. Er befahl, Kinder und Frauen in die Festungen zu bringen, damit sie in Sicherheit wären.

Überrascht mussten die Götzendiener feststellen, dass die Felder um Medina herum schon abgeerntet waren, weshalb ihr Heer gleich in Richtung Stadt weitermarschierte.

Abu Sufyan, Chalid, Ikrima, ‘Amr und viele andere Häupter der Quraisch gingen an der Spitze und freuten sich, als sie die Lager der Muslime vor den Toren der Stadt und nicht hinter ihnen erblickten. Da es ihnen nicht an Männern und Waffen fehlte, waren sie überzeugt, den Feind rasch vernichten zu können. Als sie aber immer näher kamen, erblickten sie den breiten Graben. [291] Von der anderen Seite begannen nun die Bogenschützen der Muslime, einen Hagel von Pfeilen auf sie zu schießen und zwangen sie, zurückzuweichen. Dieser Graben war ein Kniff in der Kriegskunst, den die Araber noch nicht kannten!

An einer Stelle blockierten die Festungen des jüdischen Stammes Bani Qurayda den Eingang in die Stadt. Hujai Bin Achtab vom Stamm der Bani An-Nadir war sich sicher, dass es ihm gelingen würde, den jüdischen Stamm Bani Qurayda zu überreden, sein Versprechen Muhammad gegenüber zu brechen, und damit den Vertrag von Medina zu verletzen. Hujai ging sogleich zu Ka‘b Bin Asad von den Bani Qurayda, der für seinen Stamm mit dem Propheten das Bündnis geschlossen hatte.

Als Ka‘b die Stimme Hujais vor der Burg hörte, verschloss er das Tor, denn Hujai war den Bani Qurayda als Unglücksbringer bekannt, der seinem Stamm Verrat und Leid brachte.
„Wehe dir, Ka‘b! Mach auf!“
„Wehe dir, Hujai, du bist ein Unheilbringer! Ich habe einen Vertrag mit Muhammad und ich habe an ihm nur Treue und Ehrlichkeit erlebt!“
„Wehe dir, öffne mir, damit wir reden!“
„Das tue ich nicht!“
„Du hast also Angst, dass ich von deinem Weizenbrei esse!“
Dies beleidigte Ka‘b und machte ihn so wütend, dass er das Tor öffnete. Hujai trat ein und sprach: „Wehe dir, Ka‘b! Ich komme zu dir mit ewigem Ruhm und einem Meer von entschlossenen Kämpfern. Mit den Quraisch und ihren Führern bin ich gekommen und ebenso mit den Bani Ghatafan und ihren Führern. Sie haben mir versprochen und mit mir einen Vertrag geschlossen, dass sie keine Ruhe geben, bis wir Muhammad und alle, die mit ihm sind, ganz zerrieben haben!“

„Bei Allah, Hujai, du bringst mir vielmehr ewige Erniedrigung und eine Wolke, die ihr Wasser schon vergossen hat und die nur blitzt und donnert, aber nichts bringt. Lass mich in Frieden; denn Muhammad war mir gegenüber stets treu und ehrlich.“
Hujai sprach von der Beute und den vielen Vorteilen, die auf sie warteten, wenn sie die Muslime vernichteten. Er redete auf Ka‘b ein, bis er ihn schließlich zum Verrat bewegen konnte. Hujai schwor: „Wenn die Quraisch und die Bani Ghatafan zurückkehren, ohne Muhammad vernichtet zu haben, werde ich in deine Festung kommen, damit auch mich trifft, was dich trifft!“
Das überzeugte Ka‘b; er brach seinen Vertrag mit dem Propheten und beging Verrat. Nun war die ganze Mühe der Stadtbewohner umsonst gewesen. Die Bani Qurayda würden den Götzendienern Eintritt in die Stadt gewähren; diese würden sie dann plündern, zerstören und jeden töten, dessen sie habhaft würden.

Einige der Bani Qurayda waren zuerst dagegen, den Bund mit Muhammad zu verletzen und ihn zu verraten, denn sie hatten von ihm nur Gutes gesehen. Als jedoch die Heuchler um Ibn Salul hinzukamen und bestätigten, was Hujai ihnen gesagt hatte, waren sie vom Erfolg überzeugt. Sie sahen, was für ein grauenvolles Heer der Quraisch da war, das die Ebene vor ihren Augen füllte.
Der Prophet wurde benachrichtigt, woraufhin er den Führer des Stammes Aws, Saad Bin Mu‘adh, und den der Chazradsch, Saad Bin Ubada, mit zwei weiteren Gefährten beauftragte: „Schaut nach, ob es stimmt! Wenn es wahr ist, sagt es mir auf verschleierte Weise, damit die Leute nicht mutlos werden. Wenn sie aber Treue bewahren, dann sagt es klar und deutlich!“

Die Delegation der Muslime ging zu den Bani Qurayda. Sie merkten schnell, dass diese den Vertrag gebrochen hatten. Ihre Bitte, diese Entscheidung zu widerrufen, bevor eine Katastrophe geschähe, wurde zurückgewiesen. „Wer ist der Gesandte Allahs? Wir haben kein Abkommen und keinen Vertrag mit Muhammad!“ Ka‘b war sich sicher, dass die Quraisch die Muslime vernichten würden und sie mit ihnen zusammen die Beute machen würden. Saad Bin Mu‘adh beschimpfte sie, doch Saad Bin Ubada hielt ihn zurück: „Lass das Schimpfen! Die Sache ist schlimm genug!“ Die beiden Saads kehrten mit den anderen Gefährten zum Propheten zurück und gaben ihm ein Zeichen. [292] Der Prophet verstand. Er wandte sich seinen Leuten zu und rief: „Allahu akbar! Seid frohen Mutes, o ihr Muslime!“

Trotz allem gab er die Hoffnung nicht auf, obwohl die Lage für die Muslime nie ernster gewesen war. Die Feinde bedrängten sie, bis die Prüfung so hart wurde, dass die Gläubigen zu zweifeln begannen und einige Heuchler vor Angst und Zweifel das Gefühl hatten, ihre Leiber stünden in Flammen. [293]

Der Prophet und seine Gefährten hielten fast einen Monat am Graben durch. Außer einigen Pfeilschüssen kam es zu keinem richtigen Kampf. Eines Tages jedoch legten Ikrima und einige Reiter der Quraisch ihre Waffen an, ritten mit ihren Pferden zum Lager der Kinana und riefen: „Zum Krieg, ihr Bani Kinana! Heute werden wir sehen, wer von uns die richtigen Reiter sind!“
Als sie den Graben erreichten und sahen, wie mächtig er war, sagten sie erstaunt: „Wahrlich, die Araber sind bisher nicht auf diese Kriegslist gekommen!“ Sie suchten sich eine enge Stelle und schlugen auf ihre Pferde ein, bis diese den Graben mühsam überwanden.

Als Ali sie sah, ritt er sofort mit einigen Männern dorthin. ‘Amr Bin Abdwudd, einer der stärksten und berühmtesten Kämpfer der Quraisch, der schon in Badr von einem Gefährten des Propheten verletzt worden war und sich daher nicht an der Schlacht von Uhud beteiligen konnte, war unter ihnen und wollte sich nun deutlich zeigen, damit jeder sah, was für ein hervorragender Krieger er war. Er und die anderen Reiter wurden von den Muslimen angehalten. Er rief: „Wer ist zum Duell bereit?“

Ali meldete sich. Die beiden gingen aufeinander los und umkreisten sich, bis sie in einer Staubwolke verschwanden. Ihre Schwerter prallten aufeinander, und ihre erregten Stimmen drangen aus dem Getümmel. Schließlich hörte man den Ruf „Allahu akbar!“ Jeder wusste, dass es Alis Stimme war, der die Größe Allahs pries, und dass ‘Amr besiegt war. Ikrima ließ seinen Speer fallen und floh mit den anderen Reitern zurück über den Graben.

Nun musste der Graben pausenlos bewacht werden und die Muslime mussten die Angriffsversuche mit Pfeilen abwehren.
Hujai versuchte weiterhin, die Quraisch davon zu überzeugen, eine Abteilung ihrer Männer zu den Burgen der Qurayda zu entsenden, um von dort aus die Festungen, in denen sich die Frauen und Kinder der Muslime befanden, anzugreifen. Die Bani Qurayda schickten zunächst einige Leute vor, um herauszufinden, ob Männer bei den Frauen waren. Wenn keine Männer da wären, wollten sie angreifen.

In einer der Festungen befand sich die Tante des Propheten, Safiya, eine Schwester von Hamza. Bereits früher hatte sie mit ihrem Speer an der Schlacht von Uhud teilgenommen. Als sie nun einen Mann der Bani Qurayda herankommen sah, nahm sie einen Zeltpfahl, stieg von der Festung herab, tötete ihn mit einem Schlag auf den Kopf und entledigte ihn seiner Waffen.
Als die Bani Qurayda ihn so fanden, erschraken sie sehr und riefen: „Wir hatten uns schon gewundert, dass Muhammad Frauen und Kinder allein in den Festungen lässt! Jetzt wissen wir, dass auch Männer dort sind, um sie zu beschützen!“ [294]
Viele Muslime, die den Zwischenfall bemerkten, bekamen nun Angst um ihre Familien.

Die meisten Männer waren sehr erschöpft; ihnen fehlten Schlaf und Nahrung, weil sie am Tag und in den kalten Nächten ununterbrochen Wache hielten. Einige, die schwach im Glauben waren, dachten, dass der Sieg, den der Prophet ihnen versprochen hatte, nicht mehr kommen würde. Für die übrigen Gläubigen jedoch war dies lediglich eine Prüfung, die ihren Glauben stärkte, und sie übten sich täglich in Geduld.

Bei den Ghatafan war auch Nuaim Bin Mas‘ud. Abu Sufyan hatte ihm zwanzig Kamele versprochen, wenn er die Muslime dazu überreden könne, es nicht zu dem von ihm selbst in Uhud angekündigten zweiten Gefecht in Badr kommen zu lassen. Nuaims Reise damals nach Medina war für ihn nicht umsonst gewesen, denn als er dort war, beeinflusste ihn der Islam so sehr, dass „dies die Zeit war, in der Allah mein Herz für den Islam öffnete“, wie er später sagte.

Nuaim schlich also in die Stadt und verlangte, den Propheten zu sprechen. Man brachte ihn zu ihm, und Muhammad fragte, weshalb er gekommen sei.

„O Gesandter Allahs, ich bin Muslim geworden, ohne dass meine Leute etwas davon wissen. Ich stehe unter deinem Befehl!“
„Du bist nur ein einzelner Mann, so geh und versuche Zwietracht unter unseren Gegnern zu säen. Denn Krieg ist List.“ [295]
Nuaim ging sogleich zu den Bani Qurayda, mit denen er in der Zeit der Unwissenheit, vor dem Islam, verbündet gewesen war und sprach: „Ihr Bani Qurayda! Ihr kennt meine Freundschaft euch gegenüber!“
„Du hast recht, wir misstrauen dir nicht“, antworteten sie.

„Die Quraisch und die Bani Ghatafan sind nicht wie ihr. Hier ist eure Heimat, in der ihr euren Besitz, eure Kinder und eure Frauen habt. Ihr könnt sie nicht so einfach verlassen. Die Quraisch und die Bani Ghatafan aber sind nur hierher gekommen, um Muhammad und seine Gefährten zu bekämpfen und ihr habt sie dabei gegen Muhammad unterstützt. Hier ist für sie aber keine Heimat, sie haben ihren Besitz und ihre Frauen nicht hier, und wenn es ihnen nicht gelingen sollte, ihren Feind zu schlagen, dann werden sie einfach dahin zurückreiten, woher sie gekommen sind und euch Muhammad und seinen Gefährten überlassen. Ihr habt dann keine Macht gegen ihn. Verlangt deshalb einige der Edlen der Quraisch als Geiseln, damit sie bei euch bleiben, bis ihr gemeinsam gegen Muhammad gekämpft und ihn vernichtet habt!“

„Du hast uns einen vollkommenen Rat gegeben“, bestätigten ihm die Bani Qurayda. Denn genau diese Bedenken hatten auch sie schon oft bei sich erwogen. Sie entschlossen sich, seinem Vorschlag zu folgen und versprachen, niemandem zu verraten, dass er ihnen diesen Rat gegeben hatte.

Anschließend ging Nuaim zu den Quraisch und sprach zu Abu Sufyan und einigen Männern der Quraisch: „Ihr kennt meine Freundschaft zu euch, im Gegensatz zu Muhammad. Ich erfuhr etwas, und bin verpflichtet, es euch mitzuteilen. Es soll aber ein Geheimnis bleiben!“

Die Quraisch versprachen ihm, nichts zu verraten. Nuaim sagte weiter: „Die Bani Qurayda haben inzwischen ihr Verhalten gegenüber Muhammad bereut und ihm die folgende Nachricht zukommen lassen: ‚Wir bereuen unsere Tat. Würdest du zufrieden sein, wenn wir dir aus den beiden Stämmen Quraisch und Bani Ghatafan einige Edle übergäben, damit du ihre Köpfe abschlägst? Danach werden wir mit dir gegen die restlichen Männer kämpfen, um alle zu vernichten.‘ Muhammad ist damit zufrieden.

Sollten also die Bani Qurayda euch nun nach Geiseln fragen, liefert ihnen niemanden von euren Männern aus!“
Danach ging Nuaim zu seinen eignen Leuten, den Bani Ghatafan, und sagte: „O ihr Männer der Bani Ghatafan! Ihr seid meine Herkunft und meine Sippe, und die Menschen, die mir am liebsten sind.“ Und er warnte seinen eigenen Stamm, so wie er vorher die Quraisch gewarnt hatte.

Es war an einem Freitagabend, als Abu Sufyan und die Häupter der Bani Ghatafan einige Männer aus ihren Stämmen zu den Bani Qurayda schickten, ohne dass Hujai es erfuhr. Dort ließen sie Folgendes ausrichten: „Hier ist nicht unsere Heimat und wir können nicht länger warten. Macht euch morgen früh zum Kampf bereit, damit wir Muhammad vernichten!“

Die Bani Qurayda antworteten: „Morgen ist Sabbat – und wir kämpfen auch nicht gegen Muhammad, ohne dass ihr uns Geiseln gebt, die bei uns bleiben, bis wir ihn erledigt haben. Wir haben Angst, dass ihr im Falle der Niederlage in eure Heimat flüchtet und uns ihm überlasst, während wir hier zu Hause sind und nicht in der Lage, ihn zu besiegen.“

Mit dieser Antwort kehrten die Boten zu den Quraisch zurück. Die Quraisch und die Bani Ghatafan stellten fest: „Was Nuaim uns erzählte, ist die Wahrheit!“ Sie ließen die Bani Qurayda wissen, dass sie nicht bereit seien, auch nur eine einzige Geisel zu übergeben, und wenn sie bereit seien zu kämpfen, so sollten sie dies tun.

Als die Bani Qurayda diese Antwort erhielten, sagten auch sie: „Was Nuaim uns erzählte, ist die Wahrheit! Sie verlangen nur, dass wir kämpfen, und wenn sie eine Gelegenheit sehen, werden sie sie ausnutzen. Andernfalls werden sie in ihre Heimat zurückkehren und uns im Stich lassen.“ Deshalb ließen sie die Quraisch und Bani Ghatafan wissen, dass sie ohne Geiseln nicht kämpfen würden. Die Quraisch bestanden ebenfalls auf ihrer Ablehnung.

Nun bekam Hujai Angst um sein Leben, denn Abu Sufyan, der ihm nicht mehr traute, begann, sich mit ihm zu streiten. Deshalb verließ er das Lager und ging zu den Bani Qurayda.
Auf der anderen Seite des Grabens betete der Prophet. Er war sich genau wie am Anfang des Sieges sicher und hoffte, dieser käme bald.

Er fragte seine Gefährten, ob einer von ihnen auf die Seite der Feinde schleichen könne, um zu sehen, was diese taten. Es war aber schon spät, und vor Erschöpfung, Kälte und Hunger traute sich keiner von ihnen aufzustehen. Außerdem heulten die Sturmböen wie wütende Wölfe. Doch als Hudhayfa [296] seinen Namen hörte, stand er auf. Trotz seiner Erschöpfung freute er sich, dass der Prophet ihn ausgewählt hatte. Der Prophet sagte: „O Hudhayfa, geh und schau, was die Leute tun, ohne jedoch selbst irgendetwas zu unternehmen.“ Es dauerte nicht lange, bis er in der dunklen Nacht aufbrach und sich in die Lager der Quraisch einschlich.

Allah schickte in jener Winternacht einen eiskalten Wind, der die Gefäße der Quraisch mit erbarmungsloser Wucht umwarf und ihre Zelte wegfliegen ließ. Da wandte sich Abu Sufyan an die Quraisch, während ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief, und sprach: „Ihr Männer der Quraisch! Wir sind hier an keinem sicheren Aufenthaltsort! Unsere Pferde und Kamele sterben, und die Bani Qurayda haben ihr Wort nicht gehalten. Schreckliches haben sie uns angetan! Ihr seht den stürmischen Wind, der uns kein Kochgeschirr, kein Feuer und kein Zelt lässt. Reist also ab, denn auch ich reite nach Hause!“ [297]

Hudhayfa erzählte später: „Abu Sufyan war so verwirrt, dass er stolperte, als er auf sein Kamel steigen wollte. Bei Allah, wenn der Prophet mir nicht gesagt hätte, ich solle nichts machen, bis ich wieder bei ihm sei, hätte ich ihn mit einem Pfeil getötet!“

Als Hudhayfa das Lager der Bani Ghatafan erreichte, war es bereits verlassen.
„Ich kehrte zügig zum Propheten zurück, der sich, in den Umhang seiner Frau gehüllt, gerade im Gebet befand. Als er mich bemerkte, ließ er mich an seiner Seite sitzen, legte einen Teil des Umhangs über mich und betete weiter. Sobald er sein Gebet beendet hatte, berichtete ich ihm alles.“ [298]

Am nächsten Morgen, als auf der anderen Seite des Grabens nur noch eine leere Ebene zu sehen war, sagte der Prophet: „Die Quraisch werden ab diesem Jahr nie wieder gegen uns ziehen, aber wir werden gegen sie ziehen.“ [299] Er gab bekannt, dass jeder nach Hause gehen könne. Erleichtert kehrten alle in die Stadt zurück und legten ihre Waffen ab.
Kaum war der Prophet von der Grabenschlacht nach Hause zurückgekehrt, als der Engel Gabriel zu ihm kam und fragte: „Hast du die Waffen schon abgelegt, o Gesandter Allahs?“
„Ja“, antwortete der Prophet.

„Die Engel aber haben ihre Waffen noch nicht abgelegt. Ich komme von der Verfolgung der Leute. Allah befiehlt dir, o Muhammad, zu den Bani Qurayda zu marschieren! Ich gehe schon hin und lasse sie erzittern.“

Der Prophet beauftragte sogleich einen Rufer: „Wer hört, soll sein Nachmittagsgebet nicht verrichten, bevor er nicht bei den Bani Qurayda angekommen ist.“ Er schickte Ali mit der Fahne und die Muslime folgten ihm.

Ali zog weiter, bis er sich den Häusern der Bani Qurayda näherte und hörte, wie sie den Propheten beschimpften. Er ritt zu ihm zurück und sagte: „Gesandter Allahs! Du solltest dich diesen Abscheulichen nicht nähern!“
Als der Prophet bei den Bani Qurayda ankam, ließ er sich in ihrer Nähe an einem Brunnen namens Ana nieder und belagerte sie fünfundzwanzig Tage, bis sie geschwächt waren und ihre Herzen vor Furcht bebten.

Drei Jungen von der jüdischen Sippe Bani Hadl erinnerten die Bani Qurayda an das Wort Ibn Alhayabans, der nach Medina gekommen war, um den erwarteten Propheten zu sehen: „Seine Stunde ist gekommen. Ihr Juden, versucht die Ersten zu sein, die ihm folgen.“

Das war jedoch vergeblich, weshalb die drei in der Nacht heimlich die Bani Qurayda verließen und sich den Muslimen anschlossen. Das Gleiche taten auch zwei weitere Männer der Bani Qurayda, Rafiaa und ‘Amr Bin Suda. Über ‘Amr sagte der Prophet: „Allah rettete diesen Mann wegen seiner Treue.“ ‘Amr war immer dagegen gewesen, Verrat zu begehen, den Vertrag von Medina zu verletzen und ihre Bewohner in Gefahr zu bringen.

Hujai war schon vor dem Abzug der Quraisch und der Bani Ghatafan in die Festung der Bani Qurayda geflüchtet, um sich dort zu verstecken, da Abu Sufyan angefangen hatte, ihm zu misstrauen.

Als die Bani Qurayda sich bewusst wurden, welch schweren Verrat sie begangen hatten, sprach Ka‘b: „Ihr seht, in welcher Lage ihr euch befindet! Deshalb mache ich euch drei Vorschläge. Der erste ist: Wir folgen diesem Mann. Es ist wahrlich klar, dass er ein gesandter Prophet ist, über den ihr in eurer Schrift gelesen habt. Mein zweiter Vorschlag ist, dass wir unsere Frauen und Kinder töten. Dann sind wir frei und können mit dem Schwert gegen Muhammad und seine Gefährten kämpfen. Wenn wir nicht siegen, lassen wir zumindest keine Familien zurück. Wenn uns die Flucht gelingt, werden wir andere Frauen und Kinder finden. Der dritte Vorschlag ist, anzugreifen, obwohl Sabbat ist und Muhammad und seine Gefährten sich deshalb sicher sind, dass wir nichts unternehmen werden.“ [300]

Alle drei Vorschläge lehnten sie ab. Vielleicht waren sie daran gewöhnt, dass Muhammad alles verzieh? Aber diesmal hatten sie wenig Hoffnung, davonzukommen, da die Kämpfer der Bani An-Nadir und der Quraisch, die nach früheren Schlachten freigelassen worden waren, im Grabenkrieg erneut gegen die Muslime gekämpft hatten. Hätte man damals die Kriegsverbrecher hingerichtet, wäre das Heer der Quraisch nicht so mächtig gewesen und die Bani Qurayda hätten sich nicht getraut, die Stadt und den Vertrag zu verraten und so viele Menschenleben zu gefährden.

Die Muslime jedoch hielten stand, kämpften und besiegten die Bani Qurayda. Hujai wusste, dass seine Verhaftung bevorstand. Gewiss hatte er sich auf diese Stunde vorbereitet und war sicher, dass er nicht entkommen würde. Er wurde zusammen mit den Männern der Bani Qurayda festgenommen.

Saad Bin Mu‘adh, der Anführer der Aws, sollte das Urteil fällen. Ihm war die Schwere der Schuld der Bani Qurayda bewusst und er urteilte: „Ihre Männer sollen hingerichtet werden!“ [301]

Mit der Bestrafung der Bani Qurayda endete die Grabenschlacht.
Vom Norden her aber waren die Muslime weiterhin durch die Juden aus Chaibar gefährdet, die in jedem Augenblick Medina angreifen konnten, um den Propheten umzubringen. Denn sie strebten danach, durch Gewalt und Ausbeutung ihre Macht in Arabien auszudehnen.

 


Fußnoten:

[282] Chaibar ist eine Oasenstadt etwa 150 Kilometer nördlich von Medina.

[283] Zu diesen Ereignissen wurde die Sure 59 herabgesandt.

[284] Die Bani Wa’il waren einer der Stämme, die Medina bewohnten, sie gehörten zu den Aws, stellten sich aber in der Grabenschlacht gegen ihre Stammesgenossen.

[285] Über sie hat Allah in Medina diese Koranverse offenbart: „Hast du nicht jene gesehen, denen ein Teil der Schrift gegeben wurde? Sie glauben an Zauberei und Götzen, und sie sagen von den Ungläubigen: ‚Sie sind in der Lehre besser geleitet als die Gläubigen.‘ Diese sind es, die Allah verflucht hat; und für den, den Allah verflucht, wirst du keinen Helfer finden.“ (Koran 4: 51–55).

[286] Nadschd ist das Gebiet in der Mitte der Arabischen Halbinsel.

[287] Die Bani Ghatafan waren ein großer Stammesverbund im Nadschd.

[288] Die Quraisch wurden von Abu Sufyan angeführt, die Bani Ghatafan von Uyayna Bin Hisn. (Ibn Hischam, S. 453).

[289] Bint Baschir Bin Sa’d berichtet: „Meine Mutter ‘Amra Bint Rawaha gab mir eine Handvoll Datteln und sagte: ‚Geh zu deinem Vater und deinem Onkel und bringe ihnen dies als Mittagessen!‘ Als ich mit den Datteln beim Propheten vorbeiging, rief er: ‚Komm, Töchterchen! Was hast du bei dir?‘ ‚O Gesandter Allahs, das sind Datteln, das Mittagsessen meines Vaters und meines Onkels.‘ ‚Bring sie hierher!‘, bat mich der Prophet. Es waren so wenige, dass sie seine Hände nicht ausfüllten. Er legte die Datteln auf ein Gewand und bat jemanden in seiner Nähe: ‚Rufe die Leute des Grabens, sie sollen zum Mittagessen kommen!‘ Sie kamen herbei und begannen zu essen, während sich die Datteln immer wieder vermehrten, bis alle satt waren, und von den Seiten des Gewandes fielen die Datteln weiter herunter.“ (Ibn Hischam, S. 454–455).

[290] Ibn Ishaq sagte, als diese Regionen tatsächlich zu Umars und Uthmans Zeit befreit wurden, pflegte Abu Huraira zu sagen: „Nehmt ein, was auch immer ihr einnehmt, ihr werdet bis zum Jüngsten Tag keine Stadt einnehmen, die nicht Allah schon vorher dem Propheten Muhammad versprochen hat.“ (Ibn Hischam, S. 455).

[291] Die Länge des Grabens betrug 3,5 km, seine Breite mehr als 6 m und seine Tiefe 5-7 m.

[292] Ihr Zeichen bestand darin, dass sie ihn grüßten und sprachen: „Udhal und Qara“, womit sie auf den Verrat von Udhal und Qara hinwiesen, den diese einst bei dem Brunnen Radschi‘ an Chubayb und seinen Gefährten begingen. (Ibn Hischam, S. 456).

[293] Mu’attib Bin Quschayr vom Stamm der Bani ‘Amr, der sich auch an der Schlacht von Badr beteiligt hatte, sagte: „Muhammad hatte uns doch versprochen, wir würden die Schätze Chosraus und Cäsars bekommen, während wir heute nicht einmal unsere Notdurft verrichten können.“ (Ibn Hischam, S. 456–457) Über diese Angst offenbarte Allah die folgenden Verse: „Als sie von oben und von unten her über euch kamen, und als die Augen rollten und die Herzen in die Kehle stiegen und ihr verschiedene Gedanken über Allah hegtet: Damals wurden die Gläubigen geprüft, und sie wurden in heftigem Maße erschüttert. Und da sagten die Heuchler und die, in deren Herzen Krankheit war: ‚Allah und Sein Gesandter haben uns nur Trug verheißen.‘ Und alsdann sagte eine Gruppe von ihnen: ‚O ihr Leute von Yathrib! Ihr könnt (ihnen) nicht standhalten, darum kehrt zurück.‘ Und ein Teil von ihnen bat den Propheten um Erlaubnis und sagte: ‚Unsere Wohnungen sind schutzlos.‘ Und sie waren nicht schutzlos. Sie wollten eben nur fliehen. Und wenn der Zutritt gegen sie von allen Seiten her erzwungen würde, und wenn sie dann aufgefordert würden, (vom Islam) abzufallen, wären sie darauf eingegangen und hätten dabei wenig gezögert.“ (Koran 33: 10–14).

[294] At-Tabaqat Al-Kubra I/II, S. 53; Almaghazi, S. 487.

[295] Ibn Madscha Nr. 2833 und 2834; Ibn Hischam, S. 460.

[296] Hudhayfa Bin Al-Yaman wurde in Mekka geboren. Wegen einer Blutrache war sein Vater Al-Yaman nach Yathrib geflüchtet. Er gehörte zu der Delegation aus Medina bei Al-Aqaba. Seine ganze Familie konvertierte zum Islam. Hudhayfa war ein enger Vertrauter des Propheten, nur ihm vertraute dieser die Namen der Heuchler an.

[297] Ibn Hischam, S. 462.

[298] Ibn Hischam, S. 462.

[299] Ibn Hischam, S. 472.

[300] Ibn Hischam, S. 463–464.

[301] Siehe Ar-Rahiq Al-Machtum, S. 278–281. Anlässlich der Grabenschlacht wurde die Sure 33 offenbart, die unter anderem auch den Verlauf der Schlacht und das Leiden der Muslime schildert.

Spende für Weg zum Islam